Die faszinierende Welt der Pilze beginnt oft mit einem winzigen, unsichtbaren Samen – der Spore. Für ambitionierte Pilzzüchter ist die Arbeit mit Sporen der Schlüssel zur Vermehrung, Selektion und Kultivierung ihrer Lieblingsarten. Dieser Blogbeitrag führt Sie Schritt für Schritt durch den Prozess: vom Nehmen eines Sporenabdrucks über die Arbeit auf Petrischalen bis hin zur Herstellung einer sterilen Myzelspritze.
Teil 1: Der Sporenabdruck – Der genetische Fingerabdruck des Pilzes
Abb.1: Dieses Bild zeigt einen dunklen Sporenabdruck, der von einer Pilzkappe auf Alufolie hinterlassen wurde. Man kann die feinen Linien der Lamellen erkennen.
Ein Sporenabdruck ist nicht nur eine wunderschöne, kunstvolle Darstellung der Lamellenstruktur eines Pilzes, sondern auch die Grundlage für die weitere Zucht. Er enthält Millionen von Sporen, die, unter den richtigen Bedingungen, zu neuem Leben erwachen können.
Was Sie benötigen:
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Einen frischen, reifen Pilz mit gut ausgebildeten Lamellen oder Poren
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Ein sauberes Stück Alufolie oder weißes Papier
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Ein sauberes Glas oder eine Schüssel
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Ein scharfes Messer oder Skalpell
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Desinfektionsmittel (z.B. 70% Isopropylalkohol)
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Handschuhe und Mundschutz (optional, aber empfohlen für sauberes Arbeiten)
Schritt-für-Schritt-Anleitung:
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Vorbereitung: Reinigen Sie Ihre Arbeitsfläche, Hände und alle Werkzeuge gründlich mit Desinfektionsmittel. Dies ist entscheidend, um Kontaminationen durch unerwünschte Schimmelpilze oder Bakterien zu minimieren.
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Pilz vorbereiten: Trennen Sie den Stiel des Pilzes vorsichtig mit einem sauberen Messer direkt am Hut ab.
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Abdruck nehmen: Legen Sie den Pilzhut mit den Lamellen nach unten auf die Alufolie oder das Papier. Decken Sie den Hut mit dem Glas oder der Schüssel ab, um ein zugluftfreies und feuchtes Mikroklima zu schaffen.
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Geduld haben: Lassen Sie den Pilz für 12 bis 24 Stunden ungestört liegen. In dieser Zeit fallen die reifen Sporen aus den Lamellen und hinterlassen ein sichtbares Muster.
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Abdruck sichern: Heben Sie den Pilzhut vorsichtig an. Sie werden nun den Sporenabdruck auf Ihrer Unterlage sehen. Lassen Sie den Abdruck an einem staubfreien Ort vollständig trocknen.
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Lagerung: Falten Sie die Alufolie vorsichtig zusammen oder legen Sie ein zweites sauberes Blatt Papier darauf. Beschriften Sie den Abdruck mit Datum und Pilzart und bewahren Sie ihn in einem verschlossenen Beutel an einem kühlen, dunklen und trockenen Ort auf.
Teil 2: Von der Spore zum Myzel – Arbeit auf Petrischalen
Um aus den Sporen ein wachsendes Pilzgeflecht, das Myzel, zu züchten, benötigen wir ein nährstoffreiches Medium in einer sterilen Umgebung – die Petrischale mit Agar.
Abb. 2: Frisch hergestellter Nährboden für die Pilzzucht - die Petrischalen sind einzeln mit Parafilm verschlossen und in Folie verpackt
Was Sie benötigen:
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Ihren getrockneten Sporenabdruck
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Sterile Petrischalen mit Nährmedium (z.B. Malzextrakt-Agar, MEA)
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Ein steriles Skalpell oder eine Impfschlinge
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Eine sterile Arbeitsumgebung (Still Air Box oder vor einem HEPA-Filter)
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Parafilm oder Micropore-Tape zum Versiegeln
Schritt-für-Schritt-Anleitung:
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Steriles Arbeiten ist oberstes Gebot: Führen Sie alle folgenden Schritte in einer möglichst keimfreien Umgebung durch. Desinfizieren Sie die Arbeitsfläche, Ihre Hände (und tragen Sie Handschuhe) und die Außenseite der Petrischalenverpackung.
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Sporen aufbringen: Öffnen Sie die Verpackung Ihres Sporenabdrucks. Kratzen Sie mit der sterilen Klinge des Skalpells oder der Impfschlinge eine winzige Menge Sporen ab.
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Beimpfen der Petrischale: Öffnen Sie die Petrischale nur einen Spalt breit und streifen Sie die Sporen vorsichtig in der Mitte des Agars ab. Schließen Sie den Deckel sofort wieder. Eine weitere Methode ist, eine sterile Spritze mit sterilem Wasser aufzuziehen, eine kleine Menge Wasser auf den Sporenabdruck zu tropfen, die Sporen aufzuwirbeln und dann einen Tropfen der Sporenlösung auf die Agarplatte zu geben.
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Versiegeln und Inkubieren: Umwickeln Sie den Rand der Petrischale mit Parafilm oder Micropore-Tape, um sie vor Kontamination zu schützen, aber dennoch einen Gasaustausch zu ermöglichen. Beschriften Sie die Schale mit Datum, Pilzart und "Sporen".
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Beobachten: Lagern Sie die Petrischalen bei Raumtemperatur (die genaue Temperatur hängt von der Pilzart ab) an einem dunklen Ort. Nach einigen Tagen bis Wochen werden Sie die ersten feinen, weißen Fäden des keimenden Myzels sehen.
Teil 3: Selektion – Die Suche nach dem stärksten Myzel
Aus einem Sporenabdruck keimen Tausende verschiedener genetischer Kombinationen. Dies führt oft zu unterschiedlichen Wuchsformen des Myzels in Ihrer Petrischale. Für eine erfolgreiche Weiterzucht möchten wir das stärkste und vitalste Myzel selektieren.
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Rhizomorphes Myzel: Dies ist die begehrteste Wuchsform. Es sieht aus wie wurzelartige, strangförmige Fäden. Rhizomorphes Wachstum wird oft mit einer schnellen und kräftigen Kolonisierung und einer ertragreichen Fruchtkörperbildung in Verbindung gebracht.
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Tomatöses (fluffiges) Myzel: Dieses Myzel hat ein eher wattiges, flauschiges Aussehen. Es ist nicht zwangsläufig "schlecht", aber rhizomorphes Wachstum wird im Allgemeinen bevorzugt.
Der Selektionsprozess:
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Identifizieren: Sobald das Myzel auf Ihrer ersten Petrischale (T0) gewachsen ist, identifizieren Sie die Bereiche mit dem stärksten rhizomorphen Wachstum.
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Übertragen: Arbeiten Sie wieder unter sterilen Bedingungen. Schneiden Sie mit einem sterilen Skalpell ein kleines Stück des gewünschten rhizomorphen Myzels aus.
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Neue Kultur anlegen: Öffnen Sie eine neue, frische Petrischale (T1) und legen Sie das ausgeschnittene Myzelstück in die Mitte des Agars.
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Wiederholen: Versiegeln, beschriften und inkubieren Sie die neue Schale. Diesen Vorgang (Übertragung auf eine neue Schale, T2, T3 usw.) können Sie mehrmals wiederholen, bis Sie eine Petrischale mit einem gleichmäßigen, rein rhizomorphen Myzelwachstum haben.
Abb. 3: Selektierte Nährboöden von unterschieldichen Pilzarten. Das Mycel erscheint in verschiedenen Farben und Wuchsformen
Teil 4: Die Herstellung einer sterilen Myzelspritze (Flüssigkultur)
Eine Myzelspritze enthält Stücke von lebendem Myzel in einer Nährlösung. Sie ermöglicht eine schnelle und einfache Beimpfung von Getreidebrut oder anderen Substraten.
Was Sie benötigen:
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Eine vollständig mit gesundem, rhizomorphem Myzel bewachsene Petrischale
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Ein Einmachglas mit einem modifizierten Deckel (mit einem Impfport und einem Luftfilter)
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Die Zutaten für die Nährlösung (z.B. 4% Honig oder heller Malzextrakt in Wasser)
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Ein steriles Skalpell
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Eine sterile 10ml oder 20ml Spritze mit einer sterilen Kanüle
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Einen Druckkochtopf zur Sterilisation
Schritt-für-Schritt-Anleitung:
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Nährlösung herstellen: Lösen Sie den Honig oder den Malzextrakt im Wasser auf und füllen Sie die Lösung in das Einmachglas. Geben Sie einen Glasmurmel oder einen magnetischen Rührstab hinzu, um das Myzel später aufbrechen zu können. Verschließen Sie das Glas mit dem modifizierten Deckel.
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Sterilisieren: Sterilisieren Sie das Glas mit der Nährlösung im Druckkochtopf bei 15 PSI (ca. 121°C) für 20-30 Minuten. Lassen Sie den Topf vollständig abkühlen, bevor Sie ihn öffnen. Dies kann mehrere Stunden dauern.
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Myzel transferieren: Arbeiten Sie erneut unter streng sterilen Bedingungen. Öffnen Sie die Petrischale und schneiden Sie das Myzel mit dem sterilen Skalpell in kleine Stücke.
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Beimpfen der Flüssigkultur: Öffnen Sie den Deckel des abgekühlten Glases und transferieren Sie einige Stücke des zerschnittenen Myzels schnell in die Nährlösung. Verschließen Sie das Glas sofort wieder.
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Inkubation der Flüssigkultur: Lagern Sie das Glas bei Raumtemperatur an einem dunklen Ort. Schwenken Sie es täglich vorsichtig (oder nutzen Sie einen Magnetrührer), um das Myzel aufzubrechen und das Wachstum zu fördern. Nach einigen Tagen bis Wochen wird sich das Myzel in der Lösung vermehrt haben und eine wolkige Suspension bilden.
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Spritze aufziehen: Desinfizieren Sie den Impfport am Deckel des Glases und die Nadel der sterilen Spritze. Stecken Sie die Nadel durch den Impfport und ziehen Sie die Myzel-Suspension in die Spritze auf.
Herzlichen Glückwunsch! Sie haben erfolgreich eine sterile Myzelspritze hergestellt. Diese kann nun zur Beimpfung Ihrer Substrate verwendet werden und ist der Ausgangspunkt für Ihre eigene, erfolgreiche Pilzzucht.
Haftungsausschluss: Dieser Leitfaden dient nur zu Informationszwecken für die Zucht von legalen Speise- und Medizinalpilzen. Informieren Sie sich stets über die lokalen Gesetze bezüglich der Pilzarten, die Sie züchten möchten.
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